Dienstag, 22. Juli 2014

Hilflosigkeit und Facebook-Politik

Im Irak nimmt die Christenverfolgung schreckliche Ausmaße an - besonders in Mossul werden Christen vertrieben und sogar getötet. Ihre Häuser werden mit einem arabischen 'Nun' gekennzeichnet, das für 'Nassarah' steht, das Wort, das im Koran für 'Christen' verwendet wird.

Auf Facebook ändern zur Zeit viele Christen ihr Profilbild und zeigen jetzt ein Bild dieses 'Nun'.
Ich habe mein Bild bisher nicht geändert, und denke auch nicht, dass ich das tun werde. Einerseits finde ich es richtig und gut, wenn ich sehe, dass andere auf Facebook so deutlich sichtbar Stellung beziehen, andererseits habe ich auch große Fragen dazu.

Auch auf Facebook ist die Diskussion intensiv, wenn es darum geht, ob man sein Profilbild entsprechend ändert und durch das 'Nun' ersetzt. Dabei kommen ganz unterschiedliche Argumente zu diesem Profilbild-Hype zur Sprache. Drei davon möchte ich hier kurz ansprechen und kommentieren:

1. Es ist ein Zeichen der Solidarität mit den verfolgten Christen im Irak.
Das stimmt irgendwie, andererseits sollte Solidarität immer dadurch gekennzeichnet sein, dass sie jemandem hilft. Inwieweit die Änderung meines Profilbilds den Christen im Irak hilft, scheint mir fragwürdig. Gleichwohl weiß ich auch, dass Trends in den Social Media durchaus auf höherer Ebene wahrgenommen werden können, so dass das vielleicht gar nicht unbedingt ins Leere läuft.

2. Christen sind immer und überall dazu berufen, Zeugnis von Jesus Christus zu geben. Durch das 'Nun' gebe ich mich als Christ zu erkennen und verkünde auf diese Weise (in Solidarität mit den Christen im Irak), dass ich für ihn lebe und notfalls bereit bin, für ihn zu sterben.
Ja, dieses Zeugnis ist wichtig und notwendig. Aber ob das Zeichen 'Nun', das den irakischen Christen das Leben bedroht, auf Facebook den richtigen Platz gefunden hat, muss ich doch ein wenig hinterfragen. Auf Facebook Zeugnis zu geben, indem man auf dem Profilbild erkennbar macht, dass man Christ ist, ist nicht falsch. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ein Christ, dessen Leben im Irak akut bedroht ist, sich da wirklich ernst genommen fühlt, wenn wir hier im Westen, wo wir Christen ein denkbar sicheres und einfaches Leben führen, ein 'Nun' als Profilbild wählen. Gerade das Profilbild auf Facebook wechseln die meisten User doch fast so schnell wie ihre Socken. Was ist mit der öffentlich gezeigten Solidarität in ein, zwei Wochen, wenn wir gerne ein neues Profilbild hätten? Ändern wir das Bild dann einfach so und lassen das 'Nun' in die Annalen der Profilbilder eingehen, haben wir dabei ein schlechtes Gewissen, oder zögern wir den Wechsel des Profilbilds vielleicht sogar noch ein paar Tage hinaus? Schon jetzt sehe ich Freunde auf Facebook, die das 'Nun' als Profilbild haben, und sich in einem Statusupdate darüber aufregen, dass gerade ihre Lieblingsserie eine unerwartete Wendung genommen hat - das scheint mir dann doch irgendwie unpassend. (Ja, Facebook ist dazu da, Kurzlebiges eben mal schnell zu kommentieren, daher stört mich der Kommentar über die Fernsehserie kaum, aber der direkte optische Kontext zum lebensbedrohenden 'Nun' bringt mich dazu, mich innerlich zu winden ob soviel unreflektierter Oberflächlichkeit.)
Mit einem Profilbild den Eindruck zu erwecken, ich wäre bereit, mein Leben für meinen Glauben aufs Spiel zu setzen, will ich nicht. Ich habe große Zweifel, dass ich diesen Mut in echter Gefahr wirklich hätte. Vermutlich würde ich weglaufen, mich verstecken, und ganz sicher nicht zugeben, dass auch ich ein Christ bin. Ich glaube, am heroischen Tugendgrad mangelt es mir, und ich hoffe, dass ich ihn nie brauchen werde... Lieber trage ich ein Kreuz (und hoffentlich bald ein Ordenskleid), das schreit nicht gleich, "Ich bin bereit für Christus zu sterben", sondern eher, "Ich bin bereit für Christus zu leben".

3. Ich weiß, dass es nichts nützt, aber trotzdem will ich ein Zeichen setzen.
Auch ich fühle mich hilflos, wenn ich die Situation im Irak sehe. Auch ich habe das Bedürfnis, etwas zu tun, und weiß nicht, was. Solange das 'Nun' mein Gewissen nicht einfach ruhig stellt, habe ich nichts dagegen einzuwenden. Das Gefühl der Hilflosigkeit muss aber bleiben, denn sonst mache ich mir selbst etwas vor.


Tja, die Hilflosigkeit bleibt, die Unsicherheit auch. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun sollte und tun kann, abgesehen von beten. Das Gebet ist durch nichts zu ersetzen, aber es ersetzt auch keine Tat. Fühle ich mich schlecht, weil es den Christen im Irak schlecht geht, ist das echtes Mitgefühl, oder fühle ich mich bloß schlecht, weil ich ein schlechtes Gewissen habe, weil es mir hier gut geht, weil mein Ordenseintritt hier ganz sicher nicht mein Leben gefährden wird (im Gegenteil, oft verschafft er mir zusätzlichen Respekt), und weil ich sehe, wie bequem wir Christen es hier haben? Ich weiß es nicht.

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