Vielleicht ist sie mein Weg zur Heiligkeit.
Vielleicht. Auf jeden Fall fordert sie mich mit ihrem Verhalten unglaublich heraus. Manchmal möchte ich sie einfach nur schütteln, manchmal würde ich ihr gerne eine reinschlagen, manchmal würde ich ihr gerne Sachen an den Kopf werfen, die vermutlich besser ungesagt bleiben (und wenn wir schon beim Weg zur Heiligkeit sind, sollten sie wohl auch besser ungedacht bleiben).
Ich finde es richtig schwer, mich nicht sinnlos aufzuregen und reinzusteigern, nicht über sie zu lästern mit denen, die sie genauso schwierig finden, und vor allem meine bösen Gedanken immer wieder dahin zu verweisen, wo sie hingehören. Eins meiner Stoßgebete lautet: "Screwtape, hau ab. Jesus, stell eine Wache vor mein Herz, damit nur du darin wohnst."
Ich will das so nicht. Ich möchte gerne geduldig und barmherzig sein, 77 Mal vergeben und dann nochmal 77 Mal und nochmal 77 Mal. Ich möchte keinen Groll hegen und schon immer vom Schlimmsten ausgehen. Ich möchte ihr unterstellen, dass sie es gut meint und es wirklich versucht. Ich möchte ihr ihr Scheitern großherzig zugestehen und ihr jeden Tag einen Neuanfang ermöglichen. Eigentlich will ich das wirklich. Und trotzdem kocht da immer wieder die Wut hoch, holt mich die Ungeduld ein und schleichen sich meine Erwartungen an sie durchs Hintertürchen. Und Screwtape rechtfertigt das alles sehr eloquent: "Das kann man ja wohl erwarten, schließlich leben wir hier in Gemeinschaft - da sind gewisse Grundstandards einfach vorauszusetzen, und wer die nicht erfüllt, ist hier falsch. Und wenn sie nur wirklich wollte, könnte sie auch, das ist alles nicht schwer, man muss nur wollen. Außerdem sind wir hier keine therapeutische Gruppe, die das Fehlverhalten des Anderen tolerieren muss, solange er nur behauptet, er wolle sich bessern. Das Leben hier ist schließlich dazu da, dass alle wachsen können, und das geht ja wohl kaum, wenn eine ständig Stress macht und alle Energien für sich beansprucht." Ja, Screwtape ist richtig gut.
Eigentlich will ich wirklich vergeben können. So, dass hinterher kein Groll zurückbleibt und ich bei der nächsten Kleinigkeit nicht die Letzte auch noch in die Rechnung mit hineinnehme. Gott vergibt mir schließlich auch immer wieder und lässt mich immer wieder zu ihm zurückkommen. Warum kann ich das nicht auch? Warum ist das so schwer, die Barmherzigkeit größer sein zu lassen? Warum muss ich mich selbst so wichtig nehmen?
Ich vermute wirklich, dass sie mein Weg zur Heiligkeit ist. Sie ist der Stein, über den ich stolpere, und immer wieder aufstehen muss. Sie ist die, an der ich lernen kann, wirklich barmherzig zu sein.
Oh Jesus, gibt mir die Kraft und die Liebe dazu!