Montag, 27. August 2018

Heim zur Hochzeit

"Zu deiner göttlichen Hochzeit,
die der Vater für dich, einziger Sohn, ausgerichtet hat,
rief auch mich die Stimme deiner Diener,
auf dass ich mich an deinen
unaussprechlichen Freuden erquicke,
schon hier auf Erden im Geheimnis deines Altares
und dereinst oben in der himmlischen Stadt,
in ewiger Freude,
unsagbar und unveränderlich.

Weil ich aber nicht das prächtige Kleid trage,
das des Hochzeitssaales würdig wäre -
denn ich habe das Kleid des heiligen Taufbrunnens beschmutzt
durch die schwarzen Sünden der Seele -
o unergründlicher Herr,
bekleide mich nun neu mit dir
und gib meinem ersten Kleid, dem jetzt beschmutzten,
den einstigen Glanz zurück.

Damit ich, Herr, deine Stimme nicht vernehmen muss,
wie sie das Wort 'Freund' ausspricht, voll Mitleid,
und dass ich ja nicht wie der Verräter
ins Verderben gestoßen werde für immer."

Hl. Nerses Schnorhali (1102-1173), gekürzter Text

Samstag, 23. Juni 2018

Vom Straßenrand aus

Letztes Jahr hatte ich den Christopher-Street-Day heimlich beobachtet, hinter den Gardinen im Wohnzimmer. Eigentlich wäre ich gerne raus auf die Straße gegangen, aber ich hatte Angst, angepöbelt zu werden, nicht erwünscht zu sein, oder mich einfach nur generell unwohl zu fühlen. Naja, unwohl war mir auch hinter den Gardinen.
Im Nachhinein habe ich mir vorgenommen, beim nächsten CSD rauszugehen, mich an die Straße zu stellen, und damit sichtbar zu sein. Der CSD nimmt seine Route hier auch deshalb durch unsere Straße, weil damit gegen die Kirche protestiert werden soll. Und irgendwie liegt es mir quer im Magen, dass unsere Straße an diesem Tag ausgestorben zu sein scheint. Keiner ist zu sehen, keiner steht sichtbar am Fenster. Ich finde aber nicht, dass wir uns als Kirche verstecken sollten. Im Gegenteil, ich finde, wir müssen sichtbar sein und ansprechbar und zum Dialog bereit. Ich teile nicht die Überzeugungen derer, die auf dem CSD mitgehen (ok, für Toleranz und Respekt bin ich auch, aber ich bin definitiv gegen Sexualisierung, kein Freund der Genderideologie, und finde nicht, dass jeder tun können sollte, was er will, und meine Definition von Liebe unterscheidet sich auch ganz grundlegend von der, der man auf dem CSD begegnet). Aber ich habe etliche Freunde, die so denken, und finde es wichtig, dass wir unsere Meinungen ausdiskutieren, uns vielleicht nicht einigen können, und trotzdem Freunde sind.
Also bin ich heute raus an die Straße gegangen. Es hat mich einige Überwindung gekostet, aber jetzt im Nachhinein bin ich mir sicher, dass es eine gute Entscheidung war.
Entgegen meiner Befürchtungen bin ich kein einziges Mal angepöbelt worden. Im Gegenteil, die Leute haben sich ganz offensichtlich gefreut, mich auf der Straße zu sehen. Viele kamen zu mir und haben kurz mit mir geredet. Manche Gespräche waren einfach nur nett, andere tief, und einzelne zutiefst berührend. Immer wieder haben mir Menschen gesagt, wie schön es ist, dass ich draußen stehe. Und ich habe mich sehr gefreut an der Buntheit und Vielfalt der Menschen und an ihrer Freude. In dieser Buntheit kommt mir Gott entgegen, und ich bewundere den Mut, mit dem heute viele unterwegs waren.
Etliche haben mich gefragt, ob ich den CSD denn gut finde und das Anliegen unterstütze. Darauf habe ich ehrlich geantwortet, dass ich die Anliegen nicht teilen kann, aber mich an den Menschen freue. Ich glaube wirklich, dass das die Aufgabe ist, die wir als Kirche haben: zuerst die Menschen zu lieben, und dann Rede und Antwort zu stehen. Jetzt im Nachhinein denke ich, dass heute für einige Menschen so etwas wie Versöhnung geschehen ist: Einer hat fast geweint, als er mich gesehen hat, kam her, hat mich gefragt, ob er mich umarmen kann, und fast nicht mehr losgelassen, alles ohne ein Wort. Jemand anderes hat mir von dem Schmerz erzählt, der ihn wegen seiner sexuellen Orientierung seit Jugend begleitet. Und immer wieder kamen Menschen, die mich einfach umarmen wollten.
Ich bin immer noch ganz berührt von all diesen Begegnungen. Mir ist heute Gott begegnet, völlig unerwartet, aber so deutlich, dass ich daran nichts rumdeuten kann. Er stand mit mir am Straßenrand, und er war mitten dabei beim CSD. Heute ist ein Stück Heilung und Versöhnung geschehen, und dafür bin ich zutiefst dankbar.

Sonntag, 27. Mai 2018

The Dark Face of Progress

Ich bin versucht zu sagen, es sei ein trauriger Tag für Irland. Aber das stimmt nicht. Heute ist nicht trauriger als all die anderen Tage, die zum Ergebnis der Abstimmung über den 8. Artikels der Irischen Verfassung geführt haben. Heute ist die Traurigkeit nur besonders deutlich zu spüren, weil sie in Zahlen erkennbar wird und nicht mehr nur öffentliche Meinung ist, sondern bald Gesetz.
Ich verstehe immer noch nicht, wie so viele Menschen meinen können, dass die Legalisierung von Abtreibung ein Zeichen des Fortschritts sei. Wie kann es Fortschritt sein, dass Kinder in der Gesellschaft und im Leben Einzelner ein solches Problem darstellen, dass es die beste Lösung zu sein scheint, sie einfach 'wegzumachen', zu töten? Wie kann es Fortschritt sein, dass die Zukunft keinen Eigenwert mehr hat, sobald sie die Pläne der Gegenwart durcheinander bringt? Wie kann es Fortschritt sein, wenn wir uns selbst in die Tasche lügen und denken, mit einer Abtreibung sei alles vorbei, und die betroffene Frau könne anschließend normal weiterleben?
Mir ist es so offensichtlich, so unübersehbar, dass das alles eine große Lüge ist, die wir uns schönreden wollen. Keine Frau kann davon glücklich werden, wenn sie ihr eigenes Kind töten lässt. Verdrängung ist mächtig, ja, aber eben immer noch Verdrängung. Und was ist mit all den Vätern, Großeltern, Geschwistern, Tanten, Onkeln, Freunden, die dieses Kind genauso verlieren, ohne auch nur ein Wort dabei mitreden zu können?
Es ist ein trauriges Ergebnis für unsere Welt, unendlich traurig. Es war doch keine Abstimmung über eine Frage der Emanzipation, über die Selbstbestimmung der Frau, sondern eine Abstimmung über Menschenleben, tausende, abertausende Menschen. Wie man das verwechseln kann, ist mir unerklärlich.
Beten wir für die betroffenen Frauen, für die Kinder, die nicht leben dürfen, für alle, die sie geliebt und gebraucht hätten, und beten wir für unsere Welt, dass uns endlich die Augen aufgehen.