Samstag, 4. Mai 2019

Neue Wege

Seit langem habe ich nichts mehr von mir hören lassen. Das war nicht einfach nur dem Trubel des Lebens geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass ich mich immer öfter und stärker mit der Frage konfrontiert sah, ob mein Weg im Orden wirklich der ist, den ich weiter gehen kann und soll. Kurz gesagt, es hat gekriselt. Heftig. Und ich habe die Krise nicht auf die leichte Schulter genommen. Darüber schreiben konnte und wollte ich nicht, solange ich selbst nicht zumindest eine Ahnung von Klarheit hatte.
Jetzt ist die Zeit der Klarheit da.
Ich habe mich entschieden, meine Gemeinschaft zu verlassen. Ich trete aus dem Orden aus, und werde meinen Weg mit Gott anders weitergehen. Wie genau dieser Weg aussehen wird, weiß ich noch nicht, aber ich vertraue darauf, dass Gott mir zeigen wird, welche Richtung ich einschlagen kann, um näher zu ihm zu kommen.
Es ist mir schwer gefallen, diese Entscheidung zu treffen, und es fällt mir auch jetzt schwer, in dieser Endgültigkeit darüber zu schreiben. Ich liebe meine Gemeinschaft sehr, und ich liebe auch das Ordensleben an sich sehr. Daran hat sich nichts geändert. Aber der Alltag hat mich an den Rand meiner Kräfte gebracht, körperlich und psychisch. So sehr ich dieses Leben leben will, ich kann es nicht. Ich bin zu schwach und scheitere daran.
Berufung ist in dieser Zeit ein schwieriger Begriff - ich war so sicher, eine Berufung zum Ordensleben zu haben. Aber wenn ich krank werde, wenn ich bleibe, habe ich denn dann keine Berufung? Oder wenn, wozu bin ich berufen?
Ich bin unendlich dankbar für die Zeit, die ich mit meinen Schwestern hatte. Wenn ich nochmal vor der Entscheidung stünde, die ich vor sieben Jahren getroffen habe, ich würde wieder in diese Gemeinschaft eintreten. Und ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich mit absoluter Gewissheit weiß, dass Gott mit mir geht und mich weiterhin tragen wird, ganz gleich, wohin mein Weg jetzt führen wird.
Vielleicht muss ich den Begriff der Berufung neu verstehen lernen. Es ist ja nicht Berufung, im Kloster zu leben, sondern dadurch, dass man im Kloster lebt, Gott näher zu kommen. Es ist nicht Berufung, zu heiraten, sondern im Partner und gemeinsam mit dem Partner Gott näher zu kommen. Gott ist unsere eigentliche Berufung. Wenn der Weg zu ihm krumm verläuft, ist das verwirrend und manchmal beängstigend, aber in der letzten Zeit fällt mir immer wieder auf, dass die Bibel voll ist von solchen krummen Wegen. Scheitern gehört quasi zum Standardprogramm der Nachfolge. Irgendwie fällt es mir schwer, das für mich und mein Leben zu akzeptieren, aber ich hoffe, dass ich es irgendwann lernen werde, den Willen Gottes für mein Leben zuzulassen, auch, wenn ich dabei den Eindruck habe, rückwärts zu stolpern anstatt geradeaus zu gehen. Ich entdecke mehr und mehr, dass auch darin Gehorsam liegt - Gott wirklich alles überlassen, selbst auf die Gefahr hin, dass er mich barfuß über Scherben laufen lässt. Das ist das Bild, das mich innerlich begleitet: mit bloßen Füßen über Scherben, aber dennoch zu ihm.