Ein Gastbeitrag von Daisy.
Irgendetwas hat mich immer schon am klösterlichen Leben fasziniert. Und das, was einen fasziniert, markiert einen Punkt im eigenen Leben, der – wenn auch nicht sofort greifbar – eine tiefere Bedeutung hat. Ähnlich, aber noch stärker ist es mit dem Gefühl der Sehnsucht: man sehnt sich nach etwas, man will eine Leerstelle füllen. Man wünscht sich, dass ein Mangel ausgeglichen wird, der schmerzt, weil das, was man vermisst als etwas empfunden wird, das ganz bedeutend und dringend zum eigenen Leben gehört. Erst wenn man das hat, fühlt man sich ganz und angekommen. Natürlich bleibt es zwar eine lebenslange Suchbewegung, aber wenn man nicht fortschreitet, also nicht wenigstens Teile von dem, was man zum Leben benötigt, realisieren kann, dann wird der Mangel zu einer schmerzenden Wunde. Man kann das von sich wegschieben, oder man kann es ernst nehmen und sich fragen: Was fehlt mir zum Leben?
Was mir am klösterlichen Leben immer imponiert hat, war diese Ruhe. Die Ruhe in der Liturgie, in den Bewegungen, den Gesprächen, im Ablauf des Lebens, die Ruhe im Kopf, die sich einstellt, wenn man sich eine Zeit lang auf dieses Leben eingelassen hat. Es ist eine Ruhe, die Frieden bringt. Zu allererst den Frieden mit sich selbst. Aus diesem Frieden nur kann ich mir die doppelte und nicht immer unambivalente Unabhängigkeit erklären, die ein solches Leben ausmacht. Keinen Partner zu haben, keine beste Freundin, bei der man sich ausweinen und gehen lassen kann. Aber auch kein Vergleich mit anderen, nicht die Sucht zu gefallen, nicht der Zwang, Leistung zu bringen und perfekt sein müssen. Nicht der unausgesprochene Imperativ immer zur Verfügung stehen zu müssen. Auch nicht die Tendenz, Verantwortung von sich abzuwälzen, die Schuld bei anderen zu suchen, schlichtweg nicht diese Gefahr sich ganz im Außen zu verlieren. Weil innen etwas ist, das ausreicht, die dahinter versteckten Bedürfnisse zu stillen. Es geht nicht ganz ohne Disclaimer: Natürlich menschelt es auch in Klöstern, auch dort gibt es Alltag, Routine und schlechte Angewohnheiten. Und doch, meine ich, sind die Ausgangsbedingungen andere.
Wenn man heutzutage die klösterliche Lebensform als nicht zeitgemäß betrachtet, dann stimmt das auf der einen Seite. Es muss stimmen, sonst bräuchte es das Kloster nicht. Es hat ja genau den Zweck, sich aus der Zeit herauszunehmen. Aber das ist ein anderes Thema. Ich finde nämlich, dass es auf der anderen Seite extrem zeitgemäß ist. Die richtigen und berechtigten Hilfestellungen von Therapeuten und Coaches, von Yoga- und Meditationslehrern zielen auf diese Sehnsucht nach einem natürlichen Gleichgewicht im Menschen, das mich auch am Kloster so fasziniert. Dahinter steht die alte Weisheit, dass es vor der Aktivität die Sammlung braucht und dass dem Menschen, der keine innere Ruhe findet und der es mit sich selbst nicht aushält auch kein Luxusurlaub hilft.
Diese Balance zwischen innen und außen, zwischen Kontemplation und Aktion, zwischen für sich sein und für andere sein, zwischen Ruhe und Halligalli, die braucht doch irgendwie jeder, oder? Wege diese zu erreichen oder eben daran zu arbeiten, gibt es viele. Wie kraftvoll kann die Ruhe am Meer, im Wald und auf den Bergen sein, wie beruhigend der lange Marsch einer Pilgerreise; wie hilfreich auch die kleinen täglichen Rituale, der Besuch einer Kirche, die Meditation morgens vor der Arbeit und vieles mehr. Die Besonderheit an Klöstern ist, dass sie sichtbare Orte sind, die diese Sehnsucht wachhalten, die uns daran erinnern, dass wir ein Innen haben. Die Menschen in den Klöstern zeigen uns zudem, dass dieses Innen nicht einsam ist, wenn darin das Gespräch mit Gott stattfindet.
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