Donnerstag, 29. Oktober 2015

Das Geheimnis in mir

In den letzten Wochen und Monaten ist viel passiert. Schleier, Kleid und neuer Name sind nur äußere Kleinigkeiten im Vergleich zu vielem, was innerlich geschehen ist. Ich habe nicht darüber gebloggt, weil es mir nicht gelingen wollte, die richtigen Worte zu finden. Auch heute weiß ich nicht, ob das, was mir durch den Kopf und durchs Herz geht, den Weg durch die Finger in Worte findet. Eigentlich weiß ich noch nicht einmal genau, was ich schreiben will - aber das wiederum macht mir keine Sorgen, denn das weiß ich selten vorher... die Worte kommen mir meist erst beim Schreiben.


Seit Wochen beschäftigt mich die Frage, warum ich bin wie ich bin. Nein, nicht die Frage, deren Antwort wäre "Weil Gott mich so erschaffen hat", sondern die Frage, warum ich in manchen Fällen überreagiere und in anderen nicht, warum mich die Aussage einer Person so verletzen kann und die gleiche Aussage einer anderen Person entweder kaum berührt oder auf fruchtbaren Boden fällt.

Warum fällt es mir so oft so unheimlich schwer, so zu sein oder so zu reagieren, wie es mir eigentlich zutiefst entspricht? Warum sehe ich in manchen Fällen fast schon unnatürlich klar, und in anderen erkenne ich noch nicht mal die eigene Hand vor den Augen? Warum kann ich an manchen Tagen aus vollem Herzen mich selbst genießen wie ich bin und an anderen Tagen mich nur schlecht finden und innerlich kein gutes Haar an mir lassen? Warum kann ich an einem Tag ein Kompliment annehmen und mich darüber freuen und am nächsten halte ich das gleiche Kompliment für Heuchelei?

Ich glaube nicht, dass man diese Inkongruenzen als Launen oder Hormonschübe wegerklären kann (Launen und Hormonschübe können da vielleicht als Brandbeschleuniger wirken, aber sie sind selbst kein Brennmaterial). Ich glaube eher, dass jeder von uns sich selbst ein Geheimnis ist. Klar kann ich das einfach ignorieren und sagen "Ich bin halt so". Aber ganz tief in mir weiß ich doch genau, dass ich eigentlich eben nicht so bin, jedenfalls nicht nur. Die letzten Wochen und Monate haben mich immer wieder auf dieses Geheimnis in mir gestoßen. Ich glaube nicht, dass ich in diesem Leben mein Geheimnis lösen oder auch nur ganz erkennen kann, aber ich merke, dass der Weg in die Tiefe meiner selbst mich näher zu Gott bringt. Wo immer ich meine Abgründe aufsuche, ist er schon da. Wann immer ich ihn bitte, mir auf meiner Schatzsuche zu helfen, zeigt er mir einen Weg. Was immer ich auf meiner inneren Reise entdecke, lag schon lange in seiner Hand. Was ich am Boden des Abgrunds und auf den Gipfeln meiner Berge finde, lässt mich manchmal an meiner Blindheit verzweifeln, aber eben auch immer wieder seine Handschrift entdecken. Der Schmerz des Abgrundes und die Schönheit seiner Nähe liegen oft so dicht beieinander, dass ich sie kaum mehr unterscheiden kann. Und wenn ich die Augen nicht vor lauter Angst fest zusammenkneife, sondern mich vorsichtig umschaue, sehe ich, dass in meinem Abgrund genau in dem Moment, wo ich die Augen zaghaft öffne, etwas zu keimen und zu wachsen beginnt.

Das Leben ist jetzt, hier und heute. Ich muss nicht warten, bis ein besserer Tag beginnt, oder mich anstrengen, damit ich eines Tages gut genug bin. Gottes Geheimnis in mir keimt und wächst und will blühen, reifen und Früchte tragen. In mir, so wie er mich geschaffen hat, und in mir, so wie ich geworden bin.

2 Kommentare:

  1. Was für anregende Gedanken! Und da fällt mir doch sofort Herr Karl Rahner ein... weißt du noch? Aus einem anderen Leben... :) Mach weiter so und entdecke noch viel mehr Gipfel und Abgründe, immer mit Ihm an der Seite.

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  2. Mihi quaestio factus sum (Augustinus, Confessiones) :-)

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