Mittwoch, 6. August 2014

Römisch-deutsche Friedensgrüßerei

Nun muss ich doch auch noch meinen Senf dazu geben: das Thema Friedensgruß schlägt mal wieder Wellen.

Ich muss ganz ehrlich sagen: ich kann diejenigen Menschen irgendwie emotional gesehen verstehen, die sich über das römische Rundschreiben ärgern, und gleichzeitig stehe ich inhaltlich hinter dem Schreiben. Was ich hingegen gar nicht verstehen kann, ist die Hybris, mit der sich manche Diskussionsteilnehmer über Andere und vor allem über die Theologen, die sich da Gedanken gemacht haben, erheben. Worte wie "Liturgiepolizei", "Schwachsinn", "vorvatikanische Isolation des Altarraums" und "Regulierungswut" verletzen auch mich, die inhaltlich näher an Rom ist als anscheinend viele andere Christen im deutschsprachigen Raum. Wer auf dieser Ebene mitredet, macht jede echte Diskussion unmöglich, weil er den Anderen von vorneherein nicht ernst nimmt und ins Abseits stellt.

Die in den Diskussionsforen mehrfache Gleichstellung der Ermahnung zur würdigen Feier des Friedensgrußes mit einem Verbot des Heiligen Geistes bzw. des Glaubens und der Hinweis darauf, dass woanders Krieg herrscht und die in Rom wohl nichts Wichtigeres zu tun haben, lösen in mir Wut aus.
Leute, ja, auf der Welt ist leider Krieg, aber deswegen hört hier doch auch keiner zu essen auf, nur weil andere hungern. Wenn ich Kopfweh habe, nehme ich doch trotzdem eine Schmerztablette, obwohl ich weiß, dass andere Menschen viel Schlimmeres aushalten müssen. Und ja, die Gottesdienstkongregation macht nur ihren Job, wenn sie sich um die würdige Feier der Liturgie kümmert. Man muss ihr nicht in allem zustimmen, aber man muss auch nicht gleich jeden Schlag unter der Gürtellinie ansetzen.


Aber bevor ich mich auch noch ernsthaft aufrege, will ich ein paar Dinge zum Inhalt des Rundschreibens loswerden:

  1. Das Schreiben ging an alle Bischofskonferenzen. Alle. Also auch an die in Lateinamerika, Südostasien, Afrika. Vielleicht sollten wir uns mal Gedanken über das Zielpublikum des Schreibens machen, bevor wir uns aufregen, dass uns jemand einschränken und reglementieren will. (Ich hätte da ja die Theorie, dass wir Europäer da gar nicht so im Vordergrund stehen - bei uns läuft die Friedensgrüßerei meistens doch sehr zivilisiert und ruhig ab.)
  2. Wenn der Priester den Altarraum nicht verlassen soll zum Friedensgruß, heißt das nicht automatisch, dass Rom die Trennung von Klerus und Laien betonen will. Wenn man bedenkt, dass der Friedensgruß erst nach der Wandlung stattfindet, finde ich es dringend notwendig, dass man den Altar nicht mehr verlässt - schließlich ist da gerade Jesus anwesend. Das hat nichts mit einer Geringschätzung der Mitfeiernden zu tun, sondern eher mit einer Wertschätzung Gottes, der gerade mal wieder mitten unter uns ist, und den ich nicht alleine gelassen wissen will.
  3. Beim Friedensgruß geht es weder um ein kuscheliges Gemeinschaftsgefühl noch darum, dass wir uns mit unseren Nachbarn noch versöhnen sollten. Was wir uns da gegenseitig wünschen, ist kein Friedensangebot im Sinne eines Waffenstillstands, sondern der Friede Gottes. Dieser Friede Gottes hängt nicht davon ab, wievielen Menschen ich die Hand gegeben habe, und wie nett sich das anfühlt. Der Friedensgruß ist eine Geste, die etwas inneres ausdrückt: die Bereitschaft, mich für den Frieden Gottes zu öffnen und ihn nach Kräften weiterzugeben. Dass das Weitergeben sich im Händeschütteln nicht erschöpfen kann, muss ich wohl kaum erwähnen.
  4. Eigentlich finde ich, dass der Friedensgruß in der Liturgie an einer anderen Stelle besser aufgehoben wäre (z.B. vor der Gabenbereitung wie im Ambrosianischen Ritus oder von mir aus auch schon beim Kyrie). Gerade die Tatsache, dass Gott schon in der Eucharistie auf dem Altar ist, lässt mich fragen, ob es an dieser Stelle wirklich sinnvoll ist, sich nochmal kurz - zumindest gestisch - von ihm ab- und dem Nachbarn zuzuwenden.

Insgesamt stelle ich fest, dass es dringend an der Zeit ist, dass wir als Kirche uns Gedanken machen, warum wir katholisch sind. Wenn ein kleines Rundschreiben zu einem kleinen Unterthema der Liturgie, das uns möglicherweise gar nicht wirklich betrifft, Diskussionen auslösen kann, in denen sich Leute ernsthaft fragen, ob Rom uns da "an der Nachfolge Jesu hindert" (sic!), dann finde ich, dass wir die Wurzel des Problems angehen sollten: Woran glauben wir denn und wie wichtig ist uns dieser Glaube? Wieso feiern wir Gottesdienst und warum gibt's da bestimmte Formen? Warum sind wir katholisch, und wieso braucht's überhaupt eine hierarchische Kirche? Was hat der Papst damit zu tun und was heißt das für mich, wenn ich mal anderer Meinung sein sollte?

Anstelle der 'Erst-reg-ich-mich-auf-dann-tret-ich-aus-Mentalität' ist es Zeit, sich ernsthaft auseinanderzusetzen, zu diskutieren, zu kämpfen, die eigene Identität zu suchen und dranzubleiben.
Glaubensfragen sind zu wichtig, um sie einfach schulterzuckend zu belächeln und abzutun.

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für diesen Kommentar! Aber ein Empfinden dafür, dass Gott in der Messe anwesend ist und entsprechend geehrt werden sollte, ist sowieso bei vielen nicht mehr oder nicht ausgeprägt genug vorhanden (ich nehem mich da nicht aus!) - das ist vielleicht einer der tieferen Gründe für die Aufregung. Stimmt schon, was sie schreiben, die Konzentration auf die Anwesenheit von Jesus sollte an dieser Stelle wichtiger sein. Warum sollte der Friedensgruß an die unmittelbaren Nachbarn auch nicht genügen?

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