Keine Ahnung, wann alles angefangen hat.
Klar, es gibt Punkte, an die ich mich gut erinnern kann, aber ich glaube nicht, dass die einfach aus dem Nichts kamen.
Aber bei einem bin ich mir sicher: es hat sehr früh angefangen.
Als ich 13 Jahre alt war, fand das Jugendtreffen der Brüder von Taizé in der Nähe statt. Irgendwie bin ich mit in die Vorbereitungsgruppe meiner Pfarrei reingerutscht, obwohl ich eigentlich noch viel zu jung war und überhaupt nicht wusste, was, wer oder wo Taizé war. Tja, aber die kleinen, improvisierten (und im Rückblick total unmusikalischen und chaotischen) Gebete unserer Vorbereitungsgruppe im Stil von Taizé (oder eben dem, was wir für den Stil von Taizé hielten) haben mich auf eine seltsame Art fasziniert. Diese seltsame Faszination war groß genug, dass ich mir mit meinen 13 Jahren ein Teilnehmerticket für das Jugendtreffen besorgen ließ (quasi illegal, schließlich war ich noch zu jung) und jeden Tag mit der S-Bahn in die Stadt fuhr, mich alleine unter Tausende junger Menschen mischte, von denen die wenigsten Deutsch konnten. Irgendwie fand ich immer Anschluss und konnte mich verständigen - beides ist im Nachhinein ziemlich erstaunlich, war ich doch mehr als zurückhaltend und meine Fremdsprachenkenntnisse noch sehr rudimentär. In einem Abendgebet hatte ich meine erste bewusste... ja, was eigentlich? Heute würde ich so etwas eine Gotteserfahrung nennen. Damals kannte ich diesen Begriff noch nicht und hätte ihn sicherlich auch für viel zu abgehoben gehalten. In der langen Stille im Gebet hatte ich plötzlich das Gefühl, innerlich zu fallen, zusammen mit der Sicherheit, dass es gut so ist, und dass mir nichts passieren kann und gleichzeitig gerade alles passiert. So eine Mischung aus Euphorie und totaler Ruhe und Frieden. Glück. Und mir war sofort klar, dass das Gott ist, dass das nicht aus mir selber kommt, und dass das auch keine Einbildung ist.
Naja, Taizé hatte es mir seither angetan. Ein paar Monate später bin ich zum ersten Mal hingefahren (mit gefälschtem Geburtsjahr auf der Anmeldung...), und seither immer wieder. Mittlerweile merke ich, dass ich aus Taizé 'herausgewachsen' bin, fahre aber immer noch gerne hin, wenn ich Jugendliche mitnehmen kann. Bei diesen Jugendlichen sehe ich immer wieder fasziniert zu, wie es ihnen geht wie mir damals, wie sie etwas entdecken, das sie nicht mehr los lässt, wie sie plötzlich ankommen.
Mit 15 Jahren war ich dann zum ersten Mal in 'meinem' Kloster. Es war bei einem großen Jugendfest, zu dem mich unser damaliger Gemeindereferent mitgenommen hatte. Wieder einmal war ich alleine unterwegs unter vielen Jugendlichen. Das Gefühl war aber dieses Mal ein ganz anderes. Ich konnte nicht mehr aufhören, die Schwestern anzuschauen. Ich war total gefesselt von diesen Frauen, von dem, was sie ausstrahlten, von dem, wie sie aussahen, von ihrer Art, miteinander und mit Anderen umzugehen. Auf dem Heimweg ging mir der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, 'so will ich auch sein'.
Seither hat mich der Gedanke nie mehr ganz losgelassen. Kloster, das ist doch total bescheuert und alles andere als normal. Aber es zieht mich einfach hin.
Ich war in meiner Schulzeit dann fast in jeden Ferien im Kloster.
Anfang des Studiums habe ich bei sogenannten Schulmissionen mitgearbeitet. Schulmissionen, das heißt, dass sich ein Team von Ordensleuten und anderen jungen Menschen auf den Weg in eine Schule macht, um mit dieser Schule eine Woche oder zumindest ein paar Tage zu leben und gemeinsam im Glauben zu gestalten.
Bei einer dieser Schulmissionen waren zwei junge Franziskaner aus Österreich dabei, von denen mir einer zum Abschied sagte: "Weißt du, immer wenn ich dich diese Woche gesehen habe, musste ich an den reichen Jüngling denken, zu dem Jeusus sagt: 'Eines aber fehlt dir noch zum Heil.'"
Mit diesem Satz ließ er mich stehen.
Als ordentliche Theologiestudentin wusste ich natürlich, wie die Geschichte weitergeht. Jesus sagt zu dem Jüngling weiter: "Geh hin, verkauf alles was du hast und gib das Geld den Armen. Dann komm und folge mir nach."
Tja.
Da stand ich also.
Mit 21 Jahren und gerade im Studium angekommen.
Und dann sowas.
Klar hab ich das erst mal ignoriert. Ich meine, was soll denn das. Und was wollte mir der Franziskaner damit überhaupt sagen. Und sowieso. Erst mal das Studium fertig machen.
Aber ja klar, sowas vergisst man nicht einfach. Das verfolgt einen richtiggehend. Und deshalb bin ich innerlich erst mal weggelaufen. Kloster war weit weg, oder zumindest hatte es mal nichts mit meinem momentanen Leben zu tun. Darüber mache ich mir Gedanken, wenn die Zeit reif ist (falls überhaupt).
Nach dem Studium bin ich erst mal wieder nach England, wo ich am liebsten geblieben wäre. Leider kamen die Wirtschaftskrise und ein paar andere Kleinigkeiten zusammen, so dass unser Büro in Leeds schließen musste und ich arbeitslos war. Zum Glück hatte ich schon die Zusage, in Deutschland als Pastoralassistentin anfangen zu können (was ich absolut nicht wollte). Mangels Alternativen bin ich also wieder zurück gekommen und habe diesen Job angefangen, der so gar nicht meiner war (ein paar kleinere 'rants', die einen Eindruck von meiner Unzufriedenheit geben, findet man auf meinem
alten Blog).
Zum Glück habe ich mich nach den drei Jahren Assistenzzeit so langsam an den Job gewöhnt... Zumindest mal gut genug, dass ich ihn mittlerweile wirklich gerne mache und hier gar nicht mehr weg will (nur fürs Noviziat natürlich). ;)
Aber ich vergesse da was Wichtiges. Als die Assistenzzeit ihrem Ende zuging, war Stellensuche angesagt. Die Auswahl war groß, die Stellenbeschreibungen meistens ziemlich diffus. Also habe ich mich auf die Suche gemacht, und mir gleich mal etwa 10 Stellen in der ganzen Diözese ausgesucht, die ich anschauen wollte. Zwei davon lagen ziemlich weit im Süden, jeweils über zwei Stunden Fahrtzeit für eine Strecke, und ich hatte mit den dortigen Teams Termine an zwei aufeinanderfolgenden Tagen vereinbart.
Weil ich nicht zweimal die komplette Strecke rauf und runter fahren wollte, dachte ich mir, ich übernachte irgendwo in der Gegend, und was liegt da näher (im wahrsten Sinne des Wortes) als mein Kloster.
Nachdem ich die erste Stelle besichtigt hatte, wusste ich schon sicher, dass ich mich auf sie bewerben würde - so gut war das Treffen mit dem Team verlaufen. Also fuhr ich etwas überdreht, aber sehr erleichtert weiter ins Kloster. Im Jahr davor hatte ich dort schon Exerzitien gemacht, in denen ich mich immer wieder gefragt hatte, ob das überhaupt der richtige Job für mich ist und ob ich nicht was völlig anderes machen sollte. Die Schwester, die mich damals begleitet hatte, hatte mich gefragt, ob ich mir sicher sei, ob meine Unzufriedenheit wirklich an meinem Job liegt, und nicht vielleicht eher daran, dass ich für mich noch die Frage der Lebensform klären muss. Genau diese Schwester empfing mich an dem Nachmittag nach meiner Stellenbesichtigung. Aus irgendeiner Laune heraus sagte ich ihr, dass ich glaube, dass sie im Jahr davor Recht hatte, und dass es vielleicht schon um das Thema Lebensform ginge.
+++ Kleiner Exkurs: Wenige Wochen vorher war eine Freundin von mir an Krebs gestorben, die ich seit ihrer Diagnose ein Jahr vorher viel besucht und irgendwie auch begleitet hatte. Diese Freundin kannte ich ursprünglich aus dem Kloster, wo sie Novizin gewesen war, als ich sie kennenlernte. Jahre später fand ich sie über meine Arbeit wieder, als sie schon lange ausgetreten war (keine schöne Geschichte). In dem Jahr bis zu ihrem Tod haben wir viel über ihre Zeit im Kloster geredet, über den Tod, über Versöhnung, über das Sterben an sich und darüber, wofür es sich lohnt zu leben. Nach ihrem Tod hatte ich plötzlich das Gefühl, dass die Zeit reif war. Ich wusste nicht genau, wofür, aber ich hatte so ein Gefühl, dass sich irgendetwas grundlegend verändern müsste, und es einen Schritt weiter gehen müsste. Aber ich wusste eben nicht, worauf sich dieses Gefühl bezog, und was für ein Schritt das sein sollte. +++
Ich verbrachte also die Nacht im Kloster, und bot am nächsten Morgen meine Mithilfe an, nachdem mein nächster Termin erst am Nachmittag sein würde. Meine Aufgabe für den Vormittag war dann, Kärtchen mit Bibelworten zu schneiden (es gibt in der Kapelle eine kleine Holzkiste, aus der sich jeder, der möchte, ein Wort mitnehmen kann). Die Bibelworte selbst waren schon vorgedruckt, und ich sollte sie nun mit Hilfe von Lineal, Brettchen und Messer ordentlich auseinander schneiden. Ich saß also alleine am Tisch, vor mir zwei dicke Stapel Papier, und arbeitete mich langsam durch die Worte. Nebenher las ich natürlich, was ich da schnitt. Das oberste Blatt auf dem zweiten Stapel lag verkehrtherum, und eines der Worte fiel mir ins Auge. Ich konnte es nicht sofort lesen (die Schrift war ja auf dem Kopf und ich schnitt nebenher ja noch Papier). Aber es ließ mich nicht mehr los, bis ich es gelesen hatte - und dann erst recht nicht mehr.
Darauf stand: "Jesus Christus spricht: Habt Vertrauen. Ich bin es. Fürchtet euch nicht."
Und plötzlich war mir klar: ich habe mich schon längst entschieden. Und ich brauche keine Angst mehr vor dem Schritt dorthin zu haben. Denn was kann schon passieren, wenn Er es ist, der dort auf mich wartet?!
Ein Gespräch später fuhr ich grinsend und glücklich weiter.
Tja... the rest is history as they say... mittlerweile bin ich Kandidatin (heute vor einem Jahr war meine offizielle Aufnahme in die Gemeinschaft) und hoffe, bald ins Noviziat zu dürfen.
Ach ja: und darum gehe ich ins Kloster. :)