Heute war ich nachmittags kurz einkaufen und lief gerade entspannt durch die Stadt, als mich eine junge Frau ansprach. Gleich auf den ersten Blick dachte ich, die sieht aus wie eine, die zu diesen Bettelbanden gehört. Aber weil ich schließlich nicht selbst Opfer meiner Vorurteile sein will, habe ich mir angehört, was sie zu sagen hatte. Sie bat mich, ob wir uns zwei Minuten auf eine Bank setzen könnten, um zu reden. Sie sei völlig fertig, und suche nur einen Menschen, der ihr zuhört. Also gut, ich hatte Zeit, und was hatte ich schon zu verlieren (kurzer Griff zum Reißverschluss der Handtasche - zu, alles ok).
Ob ich an Jesus glaube, fragte sie mich. Ja, ich bin Christin. Sie zog ein Jesus-Bild (Faustina-Style) aus der Tasche, streichelte darüber, wie um mir zu beweisen, dass sie wirklich auch ganz fromm ist. Das kleine Alarmlämpchen in meinem Kopf begann zu blinken, schließlich kenne ich kaum jemanden unter den wirklich Frommen, die so schnell greifbar so ein großes Jesus-Bild in der Handtasche mit sich tragen, noch dazu ganz faltenfrei.
Und dann gingen die Geschichten los:
Sie komme aus dem Kosovo, und sei jetzt in Deutschland, habe aber keine Arbeit. Ich frage, ob sie eine Arbeitserlaubnis habe. Nein, die bekomme sie in sechs Wochen, sei aber schon einen Monat mit der Miete im Rückstand, und sie habe Kinder, 8 Monate alt, Zwillinge. Ob sie denn überhaupt eine Aufenthaltsgenehmigung habe - nein, ihr Visum sei vor drei Monaten abgelaufen, seither kann sie nicht mehr arbeiten, und jetzt ist ihr Geld alle. Nachdem die Frau beinahe fließend Deutsch spricht, frage ich sie, wie lange sie denn schon in Deutschland lebt. Seit zwei Jahren, meint sie, aber sie habe niemanden hier und sei ganz alleine. (Nunja, ich sag's nicht laut, aber so langsam ist aus dem Alarmlämpchen im Kopf ein kleine Alarmsirene geworden, denn wie kriegt man bitte Zwillinge in Deutschland, ohne dass der Staat auch nur irgendwas davon mitbekommt? Und wenn er's mitbekommt, bekäme sie entweder Kindergeld oder die Kinder wären schon längst vom Jugendamt versorgt...)
Sie gehe immer beten, dass Jesus ihr hilft, aber er hilft ihr nicht. Auf die theologische Diskussion über den Willen Gottes und den Willen der Menschen und Gottes Art, auf Gebete zu reagieren, gehe ich nur mit einem einzigen Satz ein, den die junge Frau ganz offensichtlich nicht hören will. Ich frage also, ob sie schon bei der Caritas oder Diakonie war; schließlich sind die dafür da, Menschen in Notsituationen zu helfen. Ja, sie sei schon überall gewesen, aber die würden ihr dort nicht helfen, nur Essen und Kleidung bekäme sie dort (was sie ganz offensichtlich nicht will - den Kaffee, den ich ihr anfangs mal angeboten hatte, wollte sie auch nicht haben).
Ich nehme meinen Mut zusammen und sage: "Ganz ehrlich, ich glaube Ihnen Ihre Geschichten nicht so ganz." Sie blickt mich beleidigt an und will wissen, warum. "Weil ich schon zuviele von diesen Geschichten gehört habe, und hinterher immer wieder rauskam, dass sie nicht stimmen. Und bei Ihnen kommen mir zu viele dieser tragischen Kleinigkeiten zusammen." Sie fängt wieder an zu jammern, sie habe keine Krankenversicherung, und habe sich deshalb gestern selbst einen Zahn ziehen müssen, und steckt wie zum Beweis ihren Zeigefinger in den Mund. Ich sehe nichts. Keine Zahnlücke, keine Schwellung, keinen Bluterguss, kein Zeichen von Schmerz in ihrer Mimik, nichts. Jetzt brauche ich keine Alarmsirenen mehr, jetzt bin ich mir sicher, dass sie lügt wie gedruckt. Das sage ich ihr auch - freundlich, aber klar. Sie fängt wieder von Jesus an, dass der ihr doch helfen müsse, und aber nichts tut, und dass sie nicht mehr weiterwisse, und sich vielleicht was antut. Das reicht, um mich echt zu nerven - und endlich merkt sie das, als ich ihr sage, dass ich ihr gerne was zu essen kaufe, dass ich ihr aber kein Geld geben werde (abgesehen davon, dass die Menge Geld, die sie in der von ihr beschriebenen Situation bräuchte, durch meine 'Spende' in keiner Weise gedeckt wäre und sich die Situation auch durch eine einmalige Intervention keineswegs verbessern würde - wäre das alles wahr, bräuchte die junge Frau dringend Hilfe vom Sozialamt, Jugendamt und noch ein paar anderen Organisationen). Jetzt ist sie endgültig beleidigt mit mir und lässt mich einfach stehen.
Nachdenklich gehe ich weiter.
In der Stadt begegne ich noch etlichen weiteren Bettlern, die ebenso wie 'meine' Frau die Menschen ansprechen. Auch ich werde noch zweimal angesprochen, lasse mich aber auf kein Gespräch mehr ein. Mir tun die Menschen Leid, und ich würde ihnen gerne helfen können, weiß aber, dass Geld da total kontraproduktiv ist: je mehr Geld sie erbetteln, umso mehr lohnt sich das Bandenbetteln für die Drahtzieher im Hintergrund, und den einzelnen Bettlern ist in keiner Weise geholfen, im Gegenteil, es werden immer mehr von ihnen. Leise bete ich für die junge Frau und die anderen aus ihrer Bettelgruppe.
Zuhause habe ich ein bisschen recherchiert - ich wusste schon, dass es diese Bettelbanden gibt, und dass die einzelnen Bettler von dem Geld, das sie erbetteln, kaum was behalten dürfen. Dass sie ganze Landstriche 'abgrasen', jeden Tag mit dem Bus in eine neue Stadt gekarrt und abends wieder abgeholt werden. Bisher war mir nur noch niemand aus diesen Gruppen begegnet, der so gut Deutsch konnte, und mit dem ich mich wirklich unterhalten konnte (nun ja, angesichts der Tatsache, dass der Beitrag meiner Dialogpartnerin aus Lügen bestand, muss ich mich vielleicht nochmal fragen, ob das wirklich eine Unterhaltung war).
Ich denke schon, dass ich im Großen und Ganzen richtig gehandelt habe, aber die Begegnung geht mir trotzdem nach.
Und ich frage mich, ob ich die Polizei hätte informieren sollen. Ist es besser für die Menschen aus diesen Bettelbanden, von ihren Drahtziehern zum Betteln in Deutschland gezwungen zu werden, so dass die Hintermänner dann einen ziemlichen Gewinn einstreichen, und weiterhin Menschen aus den entsprechenden Ländern busweise hierher bringen? Oder ist es besser, wenn die Polizei einschreitet, den Leuten Platzverweis erteilt, ihre Personalien aufnimmt etc.? Und sollte ich andere Passanten, die sich vielleicht nicht trauen, kein Geld zu geben, vor diesen Bettelattacken schützen, indem ich die Polizei informiere?
Ich weiß es nicht.
Minjajan Isten gyermekei vagyunk, egyesek hisznek, masok nem. De vanak meg azok akik a hitet kihasznajak. Nincs seminel sem fajdalmasab mikor Jezus neveben kereget az menber. En ugyanis mikor Jezus nevet halom atelem az O fajdalmat a kereszten, s igy megenged a lelkem a szemvedo emberer, de nem mindig el az igazsag aban az emverben aki velem szemben elete sorsat elemben taralja. S szerintem nem az szamit hogy mit nem tetel meg, hogy nem adtal neki penzt es nem hivtat a rendorseget hanem az a par perz amit ra szantal. Hisz ezaltal te novekedtel hitedben.
AntwortenLöschenNiemand bettelt zum Spaß, deshalb finde ich es falsch, hier moralisierend den Zeigefinger zu heben. Auch das "Angebot", statt Geld Essen zu geben, finde ich eher bevormundend. Vielleicht brauchte die Frau gerade kein Essen, sondern z.B. Tampons (was sie aber einer Fremden vielleicht aus Scham nicht erzählen würde.). Die Lügengeschichten - nun ja. Jeder versucht, zu überleben, wie er kann. Vielleicht war ihr Glaube echt, wer darf das beurteilen? Sollte es die Drahtzieher der Bettelbanden wirklich geben, so erwischt man sie nicht, indem man die kleinen Bettler auf der Straße anzeigt. Gespräche sind für eine Bettlerin eine Verschwendung von "Arbeitszeit", also wird sie erzählen, was das Gegenüber wahrscheinlich hören will, damit die Sache alsbald erledigt ist. Man darf eines nie vergessen: die Bettler sehen uns vermutlich klarer, als wir sie sehen (insbesondere die Roma, die über Jahrhunderte von unsereinem verfolgt wurden.)
AntwortenLöschenIch würde auch so handeln. - Habe ich auch schon gemacht. Geld ist da falsch, denn den Bettelnbanden sollte nichts gegeben werden. Das ist moderne Sklaverei, was die machen.
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