Montag, 28. Oktober 2013

Kann man einen Menschen verlieren?

Sie hält mich für verrückt.

Sie meint das leider nicht im umgangssprachlichen Sinne, sondern psychologisch oder vielleicht sogar pathologisch. Sie hält mich nicht für anders, unverständlich, mutig oder sonst irgendwas, was man positiv deuten könnte. Sie hält mich für psychotisch und behandlungsbedürftig.
Sie sagt, dass ihr schlecht wird bei dem Gedanken, dass ich ins Noviziat will. Sie hat das Gefühl, dass ich mir freiwillig Gliedmaßen abschneide, wenn ich ins Kloster gehe. Ihr erscheint ein Leben im Orden, mit Gelübden, ohne Kinder und ausgelebte Sexualität so absonderlich, dass sie es auf eine Stufe mit einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung stellt. (Bevor jemand fragt, ob ich hier interpretiere: nein - das meiste zitiere bzw. paraphrasiere ich.)

Eigentlich hat sie mich heute wegen einer ganz anderen Sache angerufen. Dummerweise erwähnte ich in meiner Antwort, dass ich froh sei, diese Sache noch vor dem Noviziat erledigen zu können. Tja, ich hätte wissen müssen, dass das 'N-Wort' bei ihr Allergien auslöst.

Dass sie mich für verrückt hält, kann ich irgendwie noch hinnehmen, auch wenn ich dem absolut nicht zustimmen kann. Ich kann schließlich nicht von jedem Menschen erwarten, dass er meinen Schritt versteht oder sogar gutheißt. Aber es verletzt mich, dass sie mir das so sagt. Das war kein liebevolles 'willst du es dir nicht noch mal überlegen'. Das war einfach nur eine verbale Klinikeinweisung auf einem satten Unterton von 'ich gebe dich auf, das ist nur noch krank'.

Schade, ich hatte gedacht (oder vielleicht auch nur gehofft), dass unsere Beziehung so langsam wieder besser wird, und dass sie meinen Schritt akzeptieren könnte. Sie war bei meiner Kandi-Aufnahme da gewesen, und ich hatte wirklich den Eindruck gehabt, dass hinterher so manches einfacher geworden wäre.

Sie hat mir einen kleinen Vortrag gehalten, dass Toleranz nur ertragen und hinnehmen hieße (ja, ich hatte es provoziert, indem ich gemeint habe, dass ich von ihr etwas mehr Toleranz erwartet hätte), und dass sie das ja tun würde (ich habe nicht gefragt, was ihrer Meinung dann in unserem Fall Intoleranz bedeuten würde), und dass ich nicht erwarten könne, dass sie mich versteht oder etwa auch noch unterstützt.

Nun, nein, ehrlich gesagt hatte ich nur erwartet, dass sie mich als Person stehenlässt. Dass sie mich weiterhin in meinen Entscheidungen ernst nimmt. Leider habe ich nicht den Eindruck, dass das noch der Fall ist, wenn sie mich für krank hält.

Das tut echt weh: dass sie mich nicht mehr ernst nehmen kann, dass sie mir solche Sachen einfach ins Gesicht sagt (immer mit dem Hinweis, dass ich das jetzt nicht falsch verstehen soll), dass sie mich irgendwie abgeschrieben hat, weil ich dieses Leben wähle.

An meiner Entscheidung rüttelt das alles nicht, wohl aber an meiner Freude darüber. Ich hatte echt schon geglaubt, dass ich zu den glücklichen Menschen gehöre, für die das Evangelium nicht ganz so wahr würde, von wegen Mutter, Vater, Schwestern, Brüder, Äcker und Häuser verlassen. Scheint so, als wäre ich nun doch eine derer, die jemanden zurücklassen müssen, um Jesus nachzufolgen. Vielleicht sollte ich froh und dankbar sein, dass es sich nur um einen Menschen handelt und nicht auch noch alles andere dazu. Weniger schmerzhaft macht das aber die Sache nicht. Auch, dass ich laut Evangelium das Hundertfache zurück bekommen werde, macht die Sache nicht leichter. Ich liebe sie genauso wie sie ist, es gibt sie einfach nur einmal, und ich hätte einfach gerne eine gute Beziehung zu ihr, und nicht zu hundert anderen.

Es war ein langes und anstrengendes Telefonat mit ihr, und ich bin alles andere als zufrieden damit. Als wir aufgelegt haben, waren wir beide glaube ich ziemlich erschlagen von der Intensität. Ich habe das Gefühl, als hätte ich sie mit einem Schlag verloren. Nicht, dass unsere Beziehung immer leicht, eng und schön gewesen wäre - im Gegenteil -, aber sie gehört doch einfach zu mir.
Ich hoffe und bete, dass ich sie nicht wirklich verloren habe, sondern dass das nur eine Phase in unserer Beziehung ist, und dass wir uns irgendwann wieder näher kommen. Aber wissen kann ich das leider nicht. Was ist, wenn ich sie wirklich verliere, weil ich ins Kloster gehe? Was ist, wenn ich da gerade etwas zerbreche, was nicht mehr zu kitten ist?

Ich weiß nur eins: ich gehe trotzdem ins Kloster.

Nicht, weil ich über Leichen gehen will, sondern weil ich nicht anders kann. Weil Jesus mein Weg, meine Wahrheit und mein Leben ist, und das nicht nur auf dem Papier, sondern wirklich ganz und gar. Momentan macht mich das leider eher traurig als froh.

5 Kommentare:

  1. Hab mal ein Gedicht geschrieben, nach ein Ungarisches Lied und nach dem Mt.25,6. Wird gut zu dem oben gelesenen identifizieren:

    Es ist nicht Verrückt wenn jemand für Jesus lebt,
    Ihm erwählt von alles anderen der Welt,
    Ihm, der sanft einen der Hände Hält,
    So hat man ein Schatz gefunden,
    Diese Schatz ist viel mehr wert als Geld,
    Man trägt dies bei sich,
    Man trägt es im Herz.

    Auf die Suche nach besseres Leben,
    Ein besseres Zukunft zu schaffen,
    Laufend, gerannt, im leichten und schweren...
    Hinter diesen Träumen, erstrahlte ein Licht.
    Diese Licht führte zu Christus...
    Nahm dieses als ein Einladung...und...
    Hat sich auf die Weg gemacht,
    Jesus ist jetzt der Weg, das Leben.

    Doch wurde nicht verstanden,
    Sonder als Verrückt erklärt.
    In diese Traurigkeit, ein getröstete Stimme sprach:
    Lass die Leute reden und dich, dein Entscheidung,
    In Frage zu stellen, dich schräg, und Böse anzuschauen,
    Siehe Ich komme dir entgegen,
    Sing und Sag, dass Ich dich liebe,
    Ich halte dich fest in Meinem Hand,
    Du bist jetzt Mein!

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    1. Dankeschön! Das ist echt lieb von dir und außerdem wirklich ein schönes Gedicht, das manches wieder in die richtige Perspektive rückt!

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  2. Meine Brüder waren ähnlich drauf. "Du gehst von der einen strengen BEvormungen in die andere Bevormundung..."
    Aber als sie sahen, dass es mein Weg ist und ich glücklich bin, war alles in Ordnung. Sie sahen, dass ich mich "nicht" verändert habe und die kleine Schwester geblieben bin. Und die hat sogar auch noch Zeit für Nöte aller Art....

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