Dienstag, 8. Oktober 2013

Römische Eindrücke

Alle Wege führen nach Rom. Das ist nicht das Problem.
Das Problem sind die Wege, die durch Rom führen.

Nach fast vier Tagen in der ewigen Stadt habe ich heute (zwei Tage nach der Rückkehr) immer noch solche Blasen an den Füßen, dass es nicht mehr feierlich ist.

Rom besteht aus Stein. Schönem Stein meistens, aber doch Stein. Wenn man Glück hat, sieht man manchmal ein paar Topfpflanzen auf einem Balkon, und wenn man Richtung Forum Romanum/Colosseum/Circus Maximus unterwegs ist, sogar ein paar Bäume und Gras. Aber ansonsten: Stein. Bis ins sechste oder siebte Stockwerk. Zwischendurch frage ich mich etwas ketzerisch, ob Rom deshalb die ewige Stadt genannt wird, weil sich dieser Stein ewig hält und dank ihm sich jeder Weg wie eine Ewigkeit anfühlt.


So gerne und überzeugt ich römisch-katholisch bin, muss ich doch leider feststellen, dass Rom nicht meine Stadt ist. Im Gegenteil, ich bin irgendwie froh und erleichtert, als ich wieder heim fahren darf.

Rom ist laut, Rom ist voll, Rom ist rastlos. Rom ist voll von Touristen, Taschendieben, Straßenhändlern, Pilgern, Touristenguides.
Was ich in Rom nahezu vergeblich suche, ist die Stille. In jeder Kirche, in die ich komme, ist etwas los: Touristen, die sich von rechts nach links und von hinten nach vorne und dann wieder zurück schieben und dabei alles, aber auch wirklich alles fotografieren. In einer Kirche sind zwei oder drei Messen gleichzeitig, seltsamerweise alle auf Englisch. Zwischendrin geführte Gruppen. Vereinzelt mal ein weinendes Kind (überhaupt habe ich nur sehr wenige Kinder in Rom gesehen). Dort eine fromme Pilgerin, die lautstark auf einer Sprache betet, die ich nicht verstehe, und sich dabei verneigt und eine bestimmte Anzahl von Runden in der Kirche dreht. Selbstverständlich immer laut betend.
Im Petersdom habe ich Glück: ich finde eine Seitenkapelle, in der gerade eucharistische Anbetung ist. Nicht, dass es dabei still wäre, dazu sind die immerwährenden Pilgerströme im Hintergrund viel zu laut, aber immerhin. Wie sehr ich die Stille suche und brauche, merke ich, als ich mich auf den Weg zur Beichtecke mache. Wenn ich schon keine äußere Stille haben kann, will ich wenigstens innere finden. Zum Glück spricht einer der Beichtväter Englisch, und schaut mich außerdem noch mit einem Blick an, in dem ich die Augen Jesu erkennen kann. Wenn das nicht echte Beichtgnade ist!

Unsere Gruppe ist total nett: alles Erzieherinnen, nur zwei Männer, etliche in meinem Alter. Ein paar kenne ich schon, die meisten noch nicht. Die, die ich kenne, wissen natürlich, dass ich Theologin bin, und fragen mich aus. Warum da ein toter Papst hinter Glas liegt. Ob alle Kapuziner die Knochen ihrer Toten in Ornamenten an die Wand hängen. Was die Zahlen unter den Papstbildern in St. Paul vor den Mauern bedeuten. Warum wir Reliquien verehren, und warum die Krippe in St. Maria Maggiore so in Silber versteckt ist, dass man sie gar nicht mehr sehen kann. Ob beichten im Beichtstuhl nicht ein bisschen eine Fließband-Massenabfertigung ist, und ob man das machen muss. Was die Lateinischen und Griechischen Inschriften an den Wänden bedeuten.
Es entstehen richtig gute Gespräche, manchmal auch lustige, etliche tief, um die ich sehr dankbar bin. Ruhe finde ich aber trotzdem keine, denn ich habe in diesen Gesprächen immer das Gefühl, dass ich nur die Gebende bin und selber nichts empfange. Ich sage mir, dass ich in meinem Leben schon so viel empfangen habe, dass ich jetzt ruhig mal etwas weiter geben kann, ohne dabei gleich das Gefühl haben zu müssen zu kurz zu kommen.
Der Eindruck bleibt trotzdem: Rom ist anstrengend und kein Ort, an dem ich mich zu Hause fühle.

Das erste Mal, als ich etwas zur Ruhe komme, ist in den fünf Minuten, die ich über den Campo Santo Teutonico wandere, den klitzekleinen Deutschen Friedhof im Vatikan.

 
Hier herrscht endlich die Ruhe der Ewigkeit, die ich in der ewigen Stadt schon seit Tagen suche. Kurz denke ich, dass es echt ok wäre, hier beerdigt zu sein. Hier spüre ich - im Gegensatz zum Petersdom - die Nähe des Heiligen.

Leider währt der Augenblick nicht lang, denn dann ist Gottesdienst, und der ist alles andere als von Ruhe geprägt dank begleitender Blaskapelle und großem Aufmarsch einer Bürgerwache. Auch der Angelus auf dem Petersplatz ist eher anstrengend: obwohl ich eigentlich kein Italienisch kann, bin ich die einzige der Gruppe, die die Ansprache des Papstes einigermaßen simultan übersetzen kann (zum Glück hatte ich in der Schule mal Französisch und Latein!), und kriege daher für mich selber relativ wenig mit. Die Atmosphäre ist aber trotzdem schön, so in der Menschenmasse in der Sonne, um mich herum die Begeisterung für den Papst, gemeinsam beten...

Voller Eindrücke fahre ich wieder heim - die Zeit war schön, und gleichzeitig unheimlich anstrengend, das Essen lecker, aber jetzt will ich endlich mal wieder Gemüse ohne Öl, mein Bett ok, aber daheim ist eben doch daheim.

Was bin ich froh, dass mein Kloster nicht in Rom ist! Was bin ich froh, dass ich Rom mögen darf, aber nicht dort leben muss!

... und darum gehe ich in mein Kloster.

1 Kommentar:

  1. Diese Eindrücke kann ich nur zu gut nachempfinden. Ich hatte das Glück bei der Papst-Messe in Cagliari dabei zu sein, aber ich fühlte mich eher wie auf einem Rockkonzert. Jubel, Trubel, Heiterkeit - aber Andacht, Besinnung, Vergängenwärtigung des Messopfers - keine Chance. Vielleicht ist das der Preis für einen so beliebten Papst ;) Beeindruckend für mich war es trotzdem. Für die Besinnung muss man dann halt andere Orte finden.

    AntwortenLöschen