Montag, 21. Oktober 2013

Du Opfer

Die Theologen sagen, die Welt versteht nicht mehr, was Opfer bedeutet.
Die Jugendlichen sagen, doch, du Opfer.

Opfer ist ein Schimpfwort. Wer ein Opfer ist, ist selber Schuld. Opfer werden gemobbt, sind Loser, Außenseiter, niemandes Freund. Opfer sind eben Opfer.

Und dann reden wir leichtfertig vom Opfer Christi als etwas, das es zu bewundern und zu verehren gilt, ohne groß darüber nachzudenken, was das eigentlich heißt.

Dass Gott Mensch geworden ist, ist eine riesen Sache. Unvorstellbar. Dass Weihnachten und Karfreitag direkt zusammen hängen, daran denkt man selten. Das ist noch riesiger, noch unvorstellbarer. Warum hat er das getan? Warum ist Gott in Jesus Mensch, Opfer und Erlöser geworden?

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich weiß es nicht. Ich kann versuchen, mich der Sache schrittweise zu nähern, aber ich bezweifle stark, dass ich sie jemals ganz verstehen kann.

Am besten, wir gehen zurück zu den Basics.

Gott ist die Liebe.
Nicht nur ein bisschen, sondern wirklich ganz und gar. Er kann nicht anders als zu lieben, und er liebt uns Menschen, uns alle gemeinsam und jeden einzelnen von uns. Und wie das so ist, wenn man jemanden liebt, möchte er uns nahe sein. Leider sind wir Menschen nicht ganz so perfekt, wenn es um Liebe geht, und laufen immer wieder vor ihm davon. Weil wir also nicht zu Gott kommen, kommt Gott zu uns. Er zieht quasi bei uns ein, passt sich unseren Regeln an, wird so wie wir, eben Mensch.

Gott macht keine halben Sachen.
Früher oder später wird bei Gott jede halbe Sache ganz. Mensch zu werden alleine wäre ja schon riesig gewesen, aber weil Gott uns wirklich ganz und gar nahe sein will, geht er den ganzen Weg mit uns, von Geburt bis Tod und darüber hinaus. Und das (natürlich...) nicht auf die leichte Weise, sondern auch hier wieder die Vollversion, so tief es geht. Gott stirbt für uns, durch uns und mit uns, allen gemeinsam und jedem einzelnen. Sein Tod am Kreuz geht so weit, dass er darin jedem Menschen begegnet, jedes Opfer findet sich in ihm wieder, jeder Schuldige hängt neben ihm am Kreuz und hört das Versprechen, heute noch wirst du mit mir im Paradies sein, und jeder Gewinner feiert mit ihm Auferstehung.

Der Tod ist nicht genug.
Es reicht nicht, Mensch zu werden und zu sterben, weder für uns Menschen noch für Gott. Gott ist ewig, er liebt uns ewig und will uns ewig nahe sein. Weil wir nicht so einfach zu ihm kommen, kommt er zu uns, und weil wir nicht ewig bleiben, wo wir sind, nimmt er uns mit. Durch den Tod hindurch ist er uns vorausgegangen, und geht gleichzeitig jeden Tag mit uns weiter, nimmt uns mit in seine Ewigkeit, die wir uns nicht vorstellen können, höchstens ahnen und glauben.

Jesus, du Opfer.
Gott will wirklich ganz und gar sein wie wir, und das heißt in letzter Konsequenz, dass er zum Opfer wird. Er legt sich in unsere Hand (und das ist jetzt nicht nur bildlich gemeint!), lässt mit sich machen. Verdient hat er das nicht - und wir auch nicht. Aber bei Gott geht es nicht um Verdienst, sondern um Gnade. Das ist genau der Punkt, wo Jesus, das Opfer, zu dem wird, was er auch noch ist: einer, der sich für uns opfert. Jesus wird nicht einfach nur dadurch zum Opfer, weil wir Menschen Täter sind, sondern vor allem dadurch, weil er in sein Menschsein einen Sinn legt, den nur er dem Leben und Sterben geben kann: was er tut, tut er aus Liebe zu uns. Er lässt uns mit ihm alles machen, weil er uns liebt, weil er im wahrsten Sinne des Wortes Alles dafür tun würde, um uns nahe zu sein, um uns zu lieben. Das haben wir nicht verdient - aber er hat es gewählt. Das ist Gnade, Liebe, Vollkommenheit. Gott eben.

Durch seine Wunden sind wir geheilt.
Was immer uns weh tut, woran immer wir leiden: wir sind niemals alleine in unserem Schmerz und Leid. Er war schon da und ist es jeden Tag aufs Neue. Er kennt unsere Ängste nicht nur, weil er uns zusieht und zuhört, sondern weil er sie selbst erlebt hat und erlebt. Weil ich weiß, dass er leidet, wenn ich leide, ist mein Leid nicht mehr leer und sinnlos. In meinem Leid finde ich ihn, finde ich Gott, finde ich ein Fenster in die Ewigkeit. In meinem Leid kann ich ihm nachfolgen und mit all den Menschen mitleiden, mit denen er mitleidet. Mein Leid wird zum Gebet meines Körpers und meiner Seele, das ich ihm hinhalte, weil er mich liebt und ich ihn lieben will. Mein Leid wird zur Fürbitte für alle, die auch leiden. Durch seine Wunden bin ich geheilt, weil meine Wunden in seinen Wunden ihren Platz finden, und mein Leben mit ihm wieder einen Sinn hat.


Wie gesagt - schrittweise und immer unvollständig. Die Fragen von Erbschuld, Sünde, Sühne und Erlösung habe ich noch nicht mal richtig angekratzt, und werde es heute auch nicht mehr tun.

Aber eines weiß ich heute schon:
Jesus, du Opfer, ich liebe dich.

Und darum gehe ich ins Kloster.

1 Kommentar:

  1. Ab jetzt hat es mal einen anderen beigeschmack, wenn ich "Du Opfer" höre. Denn das wird mich ab jetzt IMMER an meinen "Jesus abandonado" (verlassenen Jesus) erinnern, der mir gerade in den "Opfern" begegnet. DANKE!

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